Du kennst das bestimmt: Du lernst jemanden kennen, fragst nach seinem Job – und zack, hast du schon eine Vorstellung im Kopf. Aber mal ehrlich, könnte der Beruf deines Dates tatsächlich etwas über seine Treue in Beziehungen verraten? Die Antwort ist komplizierter als du denkst, aber definitiv spannender als erwartet.
Bevor hier jemand in Panik verfällt: Nein, dein Job macht dich nicht automatisch zum Fremdgänger. Aber die Psychologie zeigt uns faszinierende Verbindungen zwischen den Eigenschaften, die uns zu bestimmten Berufen ziehen – und denen, die unser Verhalten in Beziehungen beeinflussen können. Es ist wie ein unsichtbares Netz aus Persönlichkeitsmerkmalen, das sich durch alle Lebensbereiche zieht.
Wenn Wissenschaftler Fremdgänger unter die Lupe nehmen
2019 machten Forscher der University of Texas in Austin und der Emory University eine ziemlich überraschende Entdeckung. Sie untersuchten Männer, die auf der berüchtigten Seitensprung-Plattform Ashley Madison angemeldet waren – ja, genau die Seite, die 2015 gehackt wurde und Millionen von Nutzerdaten preisgab.
Das Ergebnis war verblüffend: Diese Männer zeigten nicht nur in der Liebe fragwürdiges Verhalten, sondern brachen auch am Arbeitsplatz signifikant häufiger Regeln. Sie betrogen bei Spesenabrechnungen, manipulierten Berichte oder gingen andere ethische Risiken ein. Die Studie, veröffentlicht in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“, bewies: Wer in einem Lebensbereich zu Regelbrüchen neigt, tut das oft auch in anderen.
Das ist keine Hexerei, sondern Persönlichkeitspsychologie. Bestimmte Charakterzüge wie Impulsivität, geringe Selbstkontrolle oder die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, zeigen sich eben nicht nur im Schlafzimmer – sondern auch im Büro, auf der Baustelle oder im Krankenhaus.
Diese Berufe stehen unter Verdacht
Verschiedene Umfragen und Auswertungen von Dating-Plattformen haben immer wieder bestimmte Berufsgruppen identifiziert, in denen Untreue häufiger vorkommt. Die üblichen Verdächtigen sind:
- Finanzsektor: Banker, Trader, Finanzberater
- Handwerk und Baugewerbe: Elektriker, Klempner, Bauarbeiter
- Medizinisches Personal: Ärzte, Krankenpfleger, Therapeuten
- Management und Führungskräfte: CEOs, Abteilungsleiter, Projektmanager
- Luftfahrt: Piloten, Flugbegleiter
Aber Achtung: Diese Listen stammen meist aus Umfragen auf Dating-Seiten oder Selbstangaben auf Untreue-Plattformen. Das ist etwa so, als würde man die Kriminalitätsrate anhand der Besucher im Gefängnis messen – die Stichprobe ist schon vorselektiert.
Warum bestimmte Persönlichkeiten bestimmte Jobs wählen
Hier wird es richtig interessant: Menschen wählen ihre Berufe nicht zufällig. Unsere Persönlichkeit steuert uns wie ein unsichtbarer Autopilot in Richtungen, die zu uns passen. Und genau diese Eigenschaften können sich auch in Beziehungen zeigen.
Risikofreudige Typen werden magisch von spannenden, unvorhersehbaren Jobs angezogen. Sie wollen Action, Adrenalin, das gewisse Etwas. Ein Banker, der täglich Millionen bewegt, oder ein Chirurg, der Leben rettet – das sind keine Jobs für Menschen, die gerne auf Nummer sicher gehen. Aber dieselbe Risikofreude, die sie beruflich erfolgreich macht, kann sie auch dazu verleiten, in Beziehungen gefährlich zu leben.
Extrovertierte Menschen suchen den Kontakt zu anderen wie Motten das Licht. Sie werden Verkäufer, Therapeuten, Manager – Berufe, in denen sie ständig neue Menschen kennenlernen. Das Problem: Wer beruflich ständig charmant und aufmerksam zu anderen ist, dem fällt es auch leichter, private Grenzen zu verwischen.
Machtmenschen streben nach oben – und zwar überall. Sie wollen Einfluss, Kontrolle, das Gefühl, wichtig zu sein. Führungspositionen sind ihr natürlicher Lebensraum. Aber Macht wirkt wie ein Aphrodisiakum, sowohl auf die Person, die sie hat, als auch auf andere. Studien zeigen: Menschen in Machtpositionen überschreiten häufiger persönliche Grenzen – auch in Beziehungen.
Gelegenheit macht Liebesdiebe
Neben der Persönlichkeit spielt noch ein anderer Faktor eine riesige Rolle: die schlichte Gelegenheit. Manche Jobs sind wie ein All-you-can-eat-Buffet für potenzielle Affären.
Piloten und Flugbegleiter sind ständig unterwegs, lernen neue Leute kennen und befinden sich oft in einer Art Paralleluniversum, wo die normalen Regeln des Alltags nicht gelten. Wer schon mal nach einem Langstreckenflug völlig durch den Wind war, kann sich vorstellen, wie sich das auf die Entscheidungsfähigkeit auswirkt.
Ärzte und Therapeuten arbeiten in extrem emotionalen, intimen Situationen. Sie sehen Menschen in ihren verletzlichsten Momenten, bieten Trost und Heilung. Aus professioneller Nähe kann schnell persönliche werden – besonders wenn der Arbeitsalltag emotional aufreibend ist und zu Hause niemand wirklich verstehen kann, was man erlebt hat.
Paartherapeuten beobachten in ihrer Praxis immer wieder, wie Jobs mit intensiven zwischenmenschlichen Kontakten die Beziehungsdynamik beeinflussen. Wenn Menschen mehr emotionale Energie in Kollegen als in ihren Partner investieren, verschiebt sich das Gleichgewicht – manchmal in gefährliche Richtungen.
Der Finanzsektor: Wo Geld und Moral aufeinandertreffen
Besonders interessant ist der Finanzbereich. Hier kommen mehrere Risikofaktoren zusammen: hohe Risikobereitschaft, Machtstreben, finanzielle Mittel und eine Arbeitskultur, in der Regeln oft als Hindernisse gesehen werden, die es zu umgehen gilt.
Trader leben davon, schnelle Entscheidungen zu treffen und kalkulierte Risiken einzugehen. Diese Mentalität hört nicht nach Feierabend auf. Wer gewöhnt ist, mit Millionen zu jonglieren und dabei cool zu bleiben, für den ist vielleicht auch das Risiko einer Affäre nur eine weitere Rechenaufgabe.
Hinzu kommt der Stress: 60-Stunden-Wochen, enormer Leistungsdruck und das ständige Gefühl, ersetzbar zu sein. Viele suchen dann Bestätigung und Entspannung außerhalb der Partnerschaft – und haben oft auch die finanziellen Mittel dazu.
Handwerk: Tradition trifft auf Gelegenheit
Auf den ersten Blick scheinen Handwerker und Finanzler nicht viel gemeinsam zu haben. Aber beide Gruppen tauchen regelmäßig in Untreue-Statistiken auf. Das Handwerk ist traditionell männlich dominiert, und in manchen Betrieben herrscht noch immer eine Kultur, in der Affären als normal oder sogar als Zeichen von Männlichkeit gelten.
Dazu kommen unregelmäßige Arbeitszeiten, häufige Abwesenheit von zu Hause und die körperliche Natur der Arbeit – alles Faktoren, die das Familienleben belasten können. Außerdem arbeiten Handwerker oft in fremden Häusern, kommen in private Sphären und lernen dabei Menschen in entspannter, häuslicher Atmosphäre kennen.
Medizin: Wenn Helfen zu nah wird
Medizinisches Personal steht vor besonderen Herausforderungen. Sie arbeiten in Schichten, sind ständig mit extremen Emotionen konfrontiert und entwickeln intensive, wenn auch professionelle Beziehungen zu Patienten und Kollegen.
Das Phänomen kennt sogar einen Namen: „Florence-Nightingale-Syndrom“ – wenn Pflegekräfte oder Ärzte sich in ihre Patienten verlieben, oder umgekehrt. Die emotionale Intensität, gepaart mit der Dankbarkeit verletzlicher Menschen, kann eine explosive Mischung ergeben.
Dazu kommt: Wer täglich mit Leben und Tod konfrontiert ist, entwickelt manchmal eine „Das Leben ist kurz“-Mentalität. Wenn man ständig sieht, wie schnell alles vorbei sein kann, erscheinen manche moralische Grenzen plötzlich weniger wichtig.
Führungskräfte: Macht als Aphrodisiakum
Henry Kissinger sagte einmal: „Macht ist das ultimative Aphrodisiakum.“ Die Forschung gibt ihm recht. Menschen in Führungspositionen haben nicht nur mehr Gelegenheiten für Affären – sie fühlen sich auch häufiger berechtigt dazu.
Macht verändert das Gehirn, und zwar messbar. Studien zeigen, dass Menschen mit Macht weniger empathisch werden, häufiger Regeln brechen und ihre eigenen Bedürfnisse über die anderer stellen. Das gilt leider auch für Beziehungen.
Außerdem haben Führungskräfte oft mehr Kontrolle über ihre Zeit und ihre Bewegungen. Wenn der Chef sagt, er hat ein wichtiges Meeting, fragt selten jemand nach Details. Diese Freiheit kann missbraucht werden.
Korrelation ist nicht gleich Kausalität
Jetzt wird es wichtig: All diese Zusammenhänge bedeuten nicht, dass dein Beruf dich zum Fremdgehen verdammt. Es ist wie mit dem berühmten Beispiel von Eiscreme und Hai-Angriffen: Beide kommen im Sommer häufiger vor, aber das Eis lockt nicht die Haie an – das warme Wetter ist der gemeinsame Faktor.
Genauso verhält es sich hier: Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften ziehen Menschen sowohl zu bestimmten Berufen als auch zu risikofreudigerem Verhalten in Beziehungen. Die Persönlichkeit ist der gemeinsame Nenner, nicht der Job.
Ein treuer Mensch bleibt treu, egal ob er Banker oder Bibliothekar ist. Ein untreuer Mensch findet Wege zur Untreue, egal ob er im Büro oder von zu Hause arbeitet. Der Beruf kann Gelegenheiten schaffen oder Persönlichkeitsmerkmale verstärken – aber er erschafft sie nicht aus dem Nichts.
Was bedeutet das für deine Beziehung?
Falls du jetzt nervös auf deinen Partner schielst, der zufällig Pilot ist – entspann dich. Diese statistischen Zusammenhänge sind wie Wettervorhersagen: Sie können Tendenzen aufzeigen, aber sie sagen nichts über den einzelnen Menschen aus.
Viel wichtiger als der Beruf sind die individuellen Werte, die Qualität eurer Beziehung und die bewussten Entscheidungen, die jeden Tag getroffen werden. Eine starke, erfüllende Partnerschaft ist der beste Schutz gegen Untreue – egal ob dein Partner im Cockpit oder im Klassenzimmer arbeitet.
Was du aus diesen Erkenntnissen mitnehmen kannst: Achte auf Persönlichkeitsmerkmale, nicht auf Berufsbezeichnungen. Extreme Risikofreude, ein übermäßiges Bedürfnis nach Aufmerksamkeit oder die Tendenz, Regeln als Vorschläge zu betrachten – das sind Warnsignale, unabhängig vom Job.
Anstatt misstrauisch zu werden, nutze diese Informationen konstruktiv. Führt offene Gespräche über eure Werte und Erwartungen. Schafft bewusst gemeinsame Zeit, auch wenn der Beruf viel fordert. Und vor allem: Arbeitet daran, eine Beziehung zu führen, die so erfüllend ist, dass der Gedanke an Untreue gar nicht erst attraktiv wird.
Wenn dein Partner in einem „risikoreichen“ Beruf arbeitet, bedeutet das nicht, dass du dich auf das Schlimmste vorbereiten solltest. Es bedeutet, dass ihr vielleicht bewusster mit bestimmten Situationen umgehen müsst. Mehr Kommunikation, klarere Grenzen, bewusstere Pflege eurer Beziehung.
Die spannendste Erkenntnis aus all diesen Studien ist vielleicht diese: Unsere Berufswahl verrät tatsächlich mehr über uns, als wir oft denken. Sie spiegelt unsere Werte, unsere Bedürfnisse, unsere Art, die Welt zu sehen. Und diese Weltanschauung zeigt sich eben nicht nur von neun bis fünf, sondern rund um die Uhr.
Untreue ist am Ende des Tages eine bewusste Entscheidung, die Menschen in allen Berufen treffen – oder eben nicht treffen. Ein Chirurg kann genauso treu sein wie ein Lehrer, und ein CEO kann genauso loyal sein wie ein Gärtner. Der Unterschied liegt nicht im Job, sondern im Charakter.
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